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Ziele erreicht - und jetzt?!

Ziele erreicht Unternehmenswohlorientiert unternehmerisches Denken Selbstreflexion

Gebrauchshinweis: Diesen Artikel bitte erst lesen, wenn Sie Ihre Ziele erreicht haben!

Jetzt, zu Beginn von Q4 eines Geschäftsjahres ausschließlich für Top Performer und High Potentials relevant.

Alle anderen legen sich den Artikel gern auf Wiedervorlage für Januar des nächsten Geschäftsjahres.

Zusammenfassung für den eiligen Leser

  • Wer seine Ziele vorzeitig erreicht, hat Nachholbedarf beim Ziele setzen.
  • Wer seine ambitionierten Ziele vorzeitig erreicht, hat bei sich oder anderen verbrannte Erde hinterlassen.
  • Fokus hilft bei der Zielerreichung, sympathisch macht es Sie nicht.
  • Wie Sie Ihren Bonus für dieses Jahr retten
  • Mehr davon, oder anders?!

Wenn die Party nicht gefeiert werden kann

Normalerweise lassen Sie es richtig krachen, wenn Sie ein wichtiges Ziel erreicht haben, alle sollen es wissen, Sie bedanken sich bei Ihren Mitstreitern, Kollegen, Ihrem Team und für einen Moment stehen Stolz, Erfolgsgefühl, Glück und Zufriedenheit an erster Stelle – das fette Grinsen ist für Ihr Umfeld gut zu erkennen.

 

Den Erfolg auszukosten ist für Ihre Motivation extrem wichtig – das bestätigt auch die Motivationspsychologie. Nicht zu schnell sich in das nächste Projekt stürzen, sondern das Ergebnis, den Weg dahin würdigen, reflektieren, was können Sie für die Zukunft als Erfolgsrezept mitnehmen bzw. was könnte ggf. noch besser laufen.

 

Das Problem ist aber ein anderes: Wir haben noch 2,5 Monate bis Ende des Geschäftsjahres und um Sie herum bricht Hektik aus. So viele jagen noch ihren Jahreszielen hinterher, der Stresspegel steigt.

 

Ab Mitte/ Ende Oktober (nach den Herbstferien) starten die stressigsten Wochen des Jahres, die 12 Wochen schmelzen auf 8-9 Wochen zusammen wegen der Herbst- und Weihnachtsferien, dann kommen noch der Controller und der Personalleiter wegen des Resturlaubs um die Ecke. Man wolle dieses Jahr keine Rückstellungen bilden, daher müssten alle Mitarbeiter bis Ende des Jahres ihren Resturlaub nehmen. Und Sie haben noch Budget für ..., das in Gefahr steht, gekürzt zu werden, wenn es nicht verbraucht wird. Im Investitionsgüterbereich nennen wir das "Hockey-Stick", im Konsumgüterbereich "Weihnachtsgeschäft".

 

Wer braucht da eine*n Mitarbeiter*in oder Bereichsleiter*in, der mit stolzgeschwellter Brust seine Erfolge feiert?

 

Und jetzt? Wohin mit Ihrer Freude?

Ihr Reflex: Na klar, weiter machen, da geht noch mehr!

Und wirklich: Es gibt nichts Besseres, als im Erfolgs-Flow weiterzumachen, dann fliegen Ihnen die Projekte zu, es fluppt – das kennen Sie doch auch, oder? Außerdem wollten Sie schon immer die Grenzen Ihres Bonussystems sprengen. Sie wollen gleich morgen mit Ihrem Vorgesetzten sprechen, ob der eingebaute Gehaltsdeckel für Sie dieses Jahr aufgegeben wird.

 

Moment mal – machen Sie es besser als die Anderen!

Warum noch mehr zu erreichen für Ihre Organisation zum Problem werden kann

Viele Organisationen legen großen Wert darauf, dass ihre Angestellten regelmäßig Ziele erreichen. Es wird erwartet, dass Angestellte regelmäßig auf neue Ziele hinarbeiten, sobald sie die vorherigen erreicht haben.

 

Unsere schnelllebige, globalisierte Welt erhöht ständig die Erwartungen, um Erfolg aufrechtzuerhalten. Unternehmen müssen immer schneller sein, um mit der Konkurrenz mithalten zu können, und Angestellte müssen immer mehr leisten, um den Anforderungen gerecht zu werden. Dieser Druck hat zu einer Kultur des Mehr, Besser, Schneller geführt.

 

Mit zunehmender Komplexität steigt jedoch auch das Risiko, dass Organisationen an die  Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stoßen. Dies kann zu einem Problem werden, wenn Organisationen versuchen, noch mehr zu erreichen. Ab einer bestimmten Größe und/ oder einem etablierten Geschäftsmodell braucht die Organisation ein Zielsystem, um die Komplexität in Balance zu halten.

 

Das heißt, Ihre Ziele werden genau aus diesem Grund zu Beginn des Jahres mit Ihnen vereinbart, um sicherzustellen, dass Ressourcen, Renditeerwartungen und persönliche Mitarbeiterziele – idealerweise – in Einklang gebracht werden, um innovative Produkte in hoher Qualität an höchst zufriedene Kunden ausliefern zu können.

 

Junge Unternehmen mit hohem Wachstum oder Unternehmen mit hohem Veränderungsdruck berichten, dass diese Planbarkeit nicht möglich ist, „wir bauen an dem Flugzeug, während wir fliegen“. Hier werden kurzzyklische Zielsysteme auf Quartalsbasis und höherer horizontaler Wertschöpfungsausrichtung und größerem Einfluss der Mitarbeitenden getestet. (z.B. OKR = Objectives & Key Results, die Google-Variante des MbO-Ansatzes).

 

Jedenfalls stehen Ihre Ziele nicht allein im Raum. Wenn Sie also Ihre Ergebnisse verdoppeln, müssen alle anderen mitziehen – können. Dabei könnten deren Ziele ggf. zu kurz kommen.

Wenn Sie also, wie es Ihrem Naturell als Top Performer entspräche, weiter auf die Tube drückten, welche Auswirkungen hat das auf Ihre Organisation? Ihre Mitarbeiter*innen, Lieferketten, Ressourcen usw. Wie flexibel kann Ihre Organisation darauf reagieren?

 

Zuallererst stellen Sie sich bitte diese Frage:

Sind Sie bereit, Ihr Handeln am Wohl der Gesamtorganisation auszurichten?

Bevor Sie also zu Ihrem Chef gehen, um einen besseren Bonus auszuhandeln, gehen Sie in sich und schauen Sie nochmal genauer hin, welche Ziele Ihre Organisation hat, welche Werte vorangetrieben werden, wonach Ihre Leistung genau bewertet wird.

 

Die meisten Unternehmen propagieren, dass nicht nur das WAS (die Zahlen und Ergebnisse), sondern auch das WIE Ihrer Leistungserbringung wichtig sind.

 

  • Wer oder was blieb auf der Strecke?
  • Welche Ziele anderer Kolleg*innen/ Abteilungen haben Sie – bisher – ignoriert?
  • Welche Projekte/ Maßnahmen haben Sie – bisher – müde belächelt?
  • Welche Bitten um Unterstützung haben Sie zurückgewiesen?
  • Welche innovativen Ideen, oder Ansätze kontinuierlicher Verbesserung haben Sie aufgrund Ihres Ergebnisfokus nicht verfolgt?
  • Welche neuen Mitarbeiter*innen/ Kolleg*innen warten seit Monaten darauf, von Ihrem Wissen und Ihrer Erfahrung zu profitieren?
  • Was ist mit dem Vortrag an der Hochschule/ Berufsschule/ IHK usw., um den Sie die Recruiting-Abteilung gebeten hatte, weil Ihr Unternehmen zunehmend Schwierigkeiten hat, Fachkräfte zu gewinnen?
  • Wie viele CVs schlummern in Ihrer Mailbox?

 

Und falls Sie noch nicht unternehmenswohlorientiert sind („unternehmerisch denkend“), sondern vornehmlich über Geld motiviert sind („individueller Erfolg“):

  • Wie werden Ihre Ziele des nächsten Jahres aussehen, wenn Sie in diesem Jahr noch mehr erreichen?
  • Helfen Sie in Ihrem Unternehmen auch ohne – zusätzliche - finanzielle Kompensation?
  • Wieviel ist genug? („Das letzte Hemd hat keine Taschen“)
  • Was ist die Situation Ihres Chefs/ Ihrer Chefin? (Welche Ziele hat er/ sie noch nicht erreicht, wie können Sie ihm/ihr helfen?) 

Wie Sie Ihren Bonus für das nächste Jahr sichern

Je nach der in Ihrem Unternehmen vorherrschenden Kultur kann es gut oder schlecht sein, mit dem Chef/ der Chefin über die vorzeitige Zielerreichung zu sprechen.

 

Organisations-Reflex 1: Dann erhalten Sie für das nächste Jahr höhere Ziele

 

Führungs-Reflex 2: Sie erhalten bis zum Ende des Jahres schwierige, unpopuläre Projekte/ Aufgaben, die Sie bisher erfolgreich vermieden haben.

 

Erfahrungsgemäß sind die allermeisten Chefs jedoch genau anders: Sie wissen, was Sie an Ihnen haben und sind heilfroh, dass wenigstens Sie „on track“ sind.

 

Um Ihren Bonus fürs nächste Jahr zu retten, machen Sie Ihrem Chef auf Basis Ihrer Analyse, was es für Alternativen gibt, ein paar Vorschläge, die ihn und das Unternehmen weiter nach vorne bringen, ohne Sie zu sehr zu stressen.

 

 Fragen Sie ihn/sie: Wie kann ich Sie unterstützen? Was hat hohe Priorität bis Ende des Jahres? Wo und wie soll ich mich persönlich weiterentwickeln?

Mehr oder anders?! Welche Ziele wollen Sie im nächsten Jahr  erreichen?

Bereiten Sie sich auf das kommende Jahr vor:

  • Mehr vom selben (= Optimierung/ Effizienzsteigerung) oder ganz anders?
  • Innovation?
  • Lebensqualität?
  • Work-Life-Balance?
  • Junge Menschen ausbilden oder ältere Menschen bei der digitalen Transformation unterstützen?
  • Neues Lernen?
  • Nächster beruflicher oder privater Entwicklungsschritt?

Wann nehmen Sie sich die Zeit, die Antworten auf diese oder Ihre Fragen zu finden?

 

Vielleicht übernächstes Jahr?

 

So ein Hamsterrad hilft, sich an wichtigen Fragen vorbei zu mogeln.

Je erfolgreicher Sie sind, umso länger wird das klappen.

Ist den Fragen aber egal. Die Erfolgsleere kommt – versprochen.

 

Lektüretipp:
Michael Andrick - Erfolgsleere – Philosophie für die Arbeitswelt. Herder 2022

www.derandrick.de

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