· 

Der Digitalisierungs-Tango - mein Tanz in den Mai 2021

Vor langer, langer Zeit, als Personal Computer gerade erfunden wurden (Sie wissen es sicher nicht - es waren die Zeiten von ATARI und Commodore- C64 ) und Bill Gates gerade den Deal seines Lebens mit IBM machte, da war ich auch mal technikbegeistert. Computer versprachen die Erhöhung individueller Effizienz um ein Vielfaches. Das ist auch eingetreten.

Aber mein ganz persönlicher Technik-Traum - ein Knopfdruck und alles funktioniert - hat sich bisher nicht realisiert.

 

Es ist doch eher so:  Wir sind den ganzen Tag mit der Lösung von Problemen beschäftigt, deren Startpunkt gerade die Verheißung  dieser Problemlösung war.

 

Mit dem Motto "Irgendwas ist immer..." halten wir uns bei Laune.

 

Ich hatte die stille Hoffnung, Künstliche Intelligenz werde mich nach 30 Jahren des Abwartens der Erfüllung meines Traums näher bringen. Es scheint aber weiterhin sehr harte, sehr technische, mathematisch-statistische Arbeit zu sein, bis es soweit ist... hier heißt es weiter dran bleiben und beobachten. Für absolute Einsteiger ist dieser kostenlose Kurs (Elements of AI- der Universität Helsinki) empfehlenswert.

 

Als Digital Immigrant und technikkritischer Mensch wende ich eine Neuerung erst an, wenn sie Fahrt aufnimmt und die Innovations-Kluft zwischen den Innovatoren und Early Adopters und dem Rest der Nutzer*innen überwunden wurde. Ich erwarte, dass Technik funktioniert und bin begeistert, wenn sie relevant für mich ist.

Sie werden mich also niemals in einer Warteschlange sehen, die auf den neuesten heißen Sch… wartet. Autonom fahrende Autos, Freiwillige für neue Impfstoffe, Reisen zum Mars usw. - für mich nicht in der Beta-Version, bitte.

 

Was mich aber wirklich auf die Palme bringt, ist, dass wir zu Beginn eines Innovationszyklus etwas toll finden sollen, was nicht toll ist. Sondern vielmehr ein Rückschritt ist zu dem, was wir bereits haben. Und wenn das kritisch bemerkt wird, ist man sowas von "old school", hat das falsche "Mindset", noch nicht die fachliche, persönliche Reife oder ähnliche kritikfeindliche Zuschreibungen. Mein Tipp an alle Innovatoren und Early Adopters: "Was Sie begeistert, begeistert nicht automatisch Ihr Gegenüber".

 

Ich nenne das Phänomen den Digitalisierungs-Tango - zwei Schritte vor, und einer zurück. 

Es ist nicht besser - nur, weil es technisch möglich ist.

Es geht mir hier nicht um ethische oder gesellschaftliche Aspekte, die auch eine Betrachtung wert wären, sondern um Rückschritte im Komfort, Bedienerfreundlichkeit und zuverlässigem Funktionieren.

Beispiel: e-Learning

Seit etwas mehr als 20 Jahren - kurz nach der ersten Dotcom-Blase - wird e-learning, webbased Training als die Zukunft des Lernens beschworen. Mittlerweile eine milliardenschwere Industrie, also offensichtlich kommerziell erfolgreich, hat es relativ zum gesamten Weiterbildungsmarkt bis 2019 nur einen Anteil von deutlich unter 50%.

 

Die Corona-Pandemie hat der Branche nochmal Aufwind gegeben. Dennoch - es sind noch immer nicht alle davon begeistert. Und sobald wir uns wieder persönlich begegnen dürfen, wird sich das E-learning auf einem höheren, aber immer noch enttäuschenden Niveau einpendeln. Obwohl doch die Effektivität und Effizienz so auf der Hand liegt - günstiger, überprüfbarer, skalierbarer. Und jetzt noch mit Künstlicher Intelligenz angereichert. Wow. Und gleichzeitig wird Präsenztraining geradezu als mittelalterlich, didaktisch fahrlässig ineffektiv tituliert. 

Videotechnik und virtuelle Whiteboards und viele andere Tools machen E-learning sehr viel interessanter als noch vor wenigen Jahren. Aber an drei Dingen kommen wir nicht vorbei:

 

1. Der/ die  professionelle menschliche Trainer*in ist flexibler als jede digitale "Learning Journey",

2. Die Rückmeldung und das bewertende Feedback über Lernfortschritte ist über die Teilnehmendengruppe und den Trainierenden unmittelbarer, spezifischer und relevanter und

3. Menschen werden von Menschen motiviert. Mut machen, Misserfolge relativieren, Entwicklungsimpulse geben, sich mit anderen Lernenden vergleichen, sich gemeinsam über Erfolge freuen, geht nur "in echt".

 

Auch Gamification, Wettbewerbe, Belohnungen usw. täuschen nicht darüber hinweg: Lernen findet im eigenen Kopf statt und macht mit Anderen gemeinsam am meisten Spaß. Lassen Sie uns das einfach respektieren und gute - vermischte - hybride- blended -Lernlösungen bauen. Mit Wertschätzung für Spezialistenwissen und dem professionellen Verständnis dafür, was für wen in welchem Themenbereich am besten umzusetzen ist.

Beispiel: Videokonferenz

Hier hat sich in den letzten 20 Jahren wirklich viel getan. Die teuren Videokonferenzsysteme, die damals in die Unternehmen einzogen und soooo teuer waren, dass sie meist nur auf der Geschäftsführungsetage installiert wurden und die Konferenz-Zeiten sparsamst von der Chefsekretärin administriert wurden, sind immer noch vorhanden und wahrscheinlich viel sicherer als das, was wir in der Masse der Internet-Nutzer heute nutzen. Auch wenn mir Verschwörungstheorien fernliegen -  im wesentlichen arbeiten erfolgreiche Geschäftsmodelle mit Intransparenz, so dass wir nicht genau wissen, was wie funktioniert. Das wird nur durch gesetzliche Regulierung anders, bis dann die Innovatoren andere - undurchsichtige Möglichkeiten finden, ihr Geschäftsmodell zu retten - wie der Kampf um die "cookies" - ausgetragen von Google und Apple - aktuell eindrucksvoll zeigt. Anderes Thema.

 

Ich habe mich 2018 das erste Mal genauer mit Videokonferenztechnik beschäftigt und mich damals gewundert, warum ich dem Gegenüber nie in die Augen schaue. Bis ich verstanden hatte, das ist technisch nicht gelöst. Und das ist es bis heute nicht. Oder vorhandene Lösungen sind entweder nicht marktreif oder zu teuer. 

Heute heißt es also lapidar: "Schau in die Kamera, damit Du präsent wirkst, so als ob Du dem Gegenüber in die Augen schaust  - und damit siehst Du nicht (gleichzeitig), wie Dein Gegenüber reagiert.

Na und? Was ist jetzt wichtiger- dass sich Dein Gesprächspartner wohl fühlt oder Du Deinen Job als Berater/ Coach/Trainer gut machen kannst?"

 Ich nenne das mal "zwei Schritte zurück" im Vergleich zum Blickkontakt zweier Menschen "so in echt".

 

Eine weitere Variation des Themas: Zwei Wettbewerber von Videokonferenzsystemen werden verglichen und alle finden es so toll, dass man 50 oder mehr Personen auf dem Bildschirm sehen kann - wirklicher Fortschritt? Mein Rechner macht bei 25 Personen schlapp und mal ehrlich, nehme ich die Reaktionen von allen gleichzeitig wahr? Ist es dasselbe wie das Unruhig werden oder Raunen eines größeren Publikums - nein, natürlich nicht. Also, nur ein geliehenes Gefühl der Verbundenheit. Egal, der Wettbewerber zieht nach - wenns der Kunde wünscht -  bitteschön.

 

Nach so vielen Monaten coronabedingter Online-Präsenz freue ich mich darüber, meinen Bildschirm auszuschalten - und trotzdem oder gerade deswegen konzentriert zuzuhören. Auch wenn der soziale Druck steigt:  "Lasst uns doch alle unsere Kamera anmachen".

Wir finden schon unseren Workaround: Wenn wir früher sagten - "Oh da war die Post wohl zu langsam" - sagen wir heute - "Meine Bandbreite ist heute so schlecht." 

Beispiel: WEbinar

Ein Seminar im Internet - toll! Das war eine innovative Sache, hatte und hat aber mit Präsenztraining und Seminararbeit nichts gemeinsam. Oder gibt es heute noch Präsenztrainings, in denen der / die Trainer*in im Folienvortrag Druckbeschallung macht- ein bis zwei Tage lang?  Die waren vor 15 Jahren sicher noch öfter anzutreffen, aber hochwertige Qualitätsseminare sind schon sehr lange interaktiv, teilnehmerorientiert und wenden verschiedene Methoden und Sozialformen an.

 

Heute im Jahr 2021 ist das Webinar ein sicher wertvolles Marketing-Instrument - mehr aber auch nicht. Schade, wir hätten es von Anfang an Webtrag nennen sollen - ein Vortrag, eine Produkt-/ Softwaredemo im Internet, den man sich in der Aufzeichnung nach Feierabend mal anschauen kann - schön. Na ja, eigentlich ein Youtube - Video. Wer heute ein Webinar macht, sollte das live abhalten und über Chat oder Mikrofon Fragen sammeln und beantworten. Die Aufzeichnung kann zusätzliche Besucher auf der Webseite generieren - ohne Mehraufwand. 

 

Heutzutage ist ein gutes, interaktives Live-Online-Training möglich - und das ist nicht zu vergleichen mit dem bekannten "Webinar" - aber die Experten - bzw. Konkurrenten - streiten sich um die Auslegung des Begriffs "ist doch das Gleiche - nein, ist eine ganz andere Qualität". Ich erkläre es Ihnen gerne in einer Präsentation mit eingesprochenem Kommentar in meinen Lernsnacks - "Blended Learning- was ist das eigentlich?"

Beispiel: Marketing Automatisierung

Ein Verkäufer redet eine Stunde lang auf Sie ein - fragt Sie nichts, reagiert nicht auf Sie - das ist die Realität automatisierter Webinare. Das nenne ich mindestens zwei Rückschritte im Vertrieb - aber die "neueste" Innovation in der Marketing-Automatisierung. Liebe Verkäufer und Marketers - so wird das nichts. Das Vorgaukeln von persönlicher Ansprache verärgert potenzielle Kund*innen nachhaltig.

 

Anderes Beispiel: Email-Marketing - In einem Webinar wird "hoch und heilig" versprochen, nicht zu nerven, jaja, man habe verstanden, diese aggressiven Online-Marketeers, die Interessenten mit Emails überschwemmen, das entspräche nicht dem Bedürfnis der Kund*innen. Der Zuhörer vertraut, trägt sich in die Newsletter-Liste ein, und erhält nicht einmal, sondern bis zu dreimal täglich aufdringliche "Kauf mich - endlich" - Emails, weil Produkt x und Coaching-Programm y eben gerade gelauncht werden.

Die Lösung heisst 'Leap Frogging' - das Bessere ist der Feind des Guten

Die Gnade der späten Innovation - wir steigen einfach auf das innovativste UND ausgereifteste Produkt um und fertig.

 

Das ist gut und einfach für die, die in einem Bereich, einem Thema starten oder - wie ich - nach langer Zeit wieder zu einem Thema zurückkehren, nachdem sie vor dem angeblichen Hype (im Jahr 2003 E-Learning) in andere Tätigkeitsbereiche gewechselt sind.

 

DAS ist der Hauptgrund, warum junge Menschen Älteren technologisch "überlegen" sind. Sie lernen den aktuellen technischen Stand als ihren Ersten überhaupt kennen. Denn, selbst wenn Sie vor 20 Jahren mal technologisch zu den "Pionieren" gehörten, es gibt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit heute eine Lösung, die Ihrer Anwendung/ Software usw. haushoch überlegen ist. Und so wird es den "Jungen" in 5, 10 oder 20 Jahren auch gehen  (je nachdem wie Sie die Halbwertszeit der jeweiligen Technologie einschätzen) - wenn Facebook, Tiktok, netflix schon lange wieder Geschichte sein werden.

 

Für die Allermeisten von uns bedeutet das also: Wir halten die Augen und Ohren offen, unseren Verstand lebendig und kritisch und wir betreiben immer wieder hohen Aufwand für Anpassung oder komplette Neugestaltung.

 

Ich bin aktuell begeistert von diesen Tools, die mein Geschäft digitalisieren: 

  • Virtuelle Kollaborationsplattformen, die Arbeit und Lernen ohne Medienbruch verbinden.
  • Einfach aufgebaute Lernplattformen, die Microlearning auf Smartphone und mobilen Endgeräten ermöglichen
  • Ausgereifte Email-Marketing-Software, die den gesamten Geschäftsprozess abbildet von Social Media Post bis Aftersales-Marketing.

Welche Digitalisierungsmöglichkeiten begeistern Sie gerade?

 

Mal sehen, welches Leap frogging uns die KI-Anwendungen ermöglichen. Ich gehe von extrem starken Veränderungen aus. Seien Sie also wachsam und vorbereitet, sich von bisherigen Arbeitsweisen komplett zu verabschieden. 

Wenn Sie Ihr selbstgesteuertes, kontinuierliches Lernen systematisch angehen wollen, empfehle ich meinen Selbstlernkurs "HabACHT- Selberlerner-Durchstarter-Kit". Zum Mittanzen im Digitalisierungs-Tango, statt betrübt oder "abgehängt" als Mauerblümchen am Rande der Tanzfläche zu stehen.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0